Eingestellt am 2. Oktober 2020 · Eingestellt in Alle Publikationen, Inflationscheck

Minus mal Minus ergibt Plus. -0,3 Prozent Inflation in der Eurozone mal -0,7 Prozent jährliche Rendite für fünfjährige deutsche Staatsanleihen ergibt einen Wohnimmobilienpreisblasenindex mit München und Frankfurt an der Weltspitze. Was bedeutet das für Anleger?

Vermögensklassen im YPOS Inflationscheck

Nach offizieller Lesart beträgt die Inflation -0,2 Prozent für Deutschland und -0,3 Prozent für die Eurozone. Die Rendite fünfjähriger deutscher Staatsanleihen liegt bei -0,72 Prozent pro Jahr.

Auf Indexbasis weisen Unternehmensanleihen positive Renditen aus. Hier ist allerdings (natürlich vor der Investition) ein detaillierter Blick auf die konkreten Kennzahlen (Bonität, Restlaufzeiten) und die Umsetzungskosten erforderlich. Zudem stellt sich die Frage des sinnvollen Anlagestils (aktiv oder passiv).

Kerninflation und Erwartungen

Bereinigt man die Inflationsrate (türkis) um schwankungsreiche Bestandteile, dann erhält man die Kerninflationsrate (dunkelblau).

Es wird deutlich, dass die Kerninflationsrate bereits seit vielen Jahren keine Bewegung nach oben zeigt. Dabei sollten die Geldpolitik (Nullzins, Verwahrgebühren) und die Anleiheaufkaufprogramme der Europäischen Zentralbank (EZB) doch eigentlich inflationär wirken.

Und nun.. Corona! Steigende Staatsverschuldung, steigende Geldmengenaggregate und eine steil ansteigende Bilanzsumme der EZB. Jetzt muss doch (endlich?) die Inflation steigen. Der Blick auf die langfristigen Inflationserwartungen (USA in türkis, Eurozone in dunkelblau) zeigt jedoch ein anderes Bild.

Inflationsangst sieht definitiv anders aus. Dies lässt zwei unterschiedliche Schlussfolgerungen zu:

  1. Nach einem Jahrzehnt wiederholt überschätzter Inflationsgefahr „kauft“ der Markt (=die Anleger) die „üblichen“ Argumente nicht mehr und ist zu sorglos
  2. Die deflationären Effekte (hohe Schuldenstände, alternde Gesellschaften in den Industrienationen, Digitalisierung, Globalisierung) sind so groß, dass die inflationären Effekte ausgeglichen werden

Differenzierte Betrachtung sinnvoll

Welche Schlussfolgerung richtig ist kann niemand beantworten. Aus der praktischen Perspektive erscheint mir daher die folgende Betrachtung sinnvoll:

Es ist zwischen Konsumgütern und Vermögenspreisen zu unterscheiden. Bei Konsumgütern geht die offizielle Inflationsrate sicherlich an der Lebensrealität vieler Menschen vorbei. Da sich aber Staaten, und vor allem Notenbanken (!), an diesen Werten ausrichten begünstigt die (zu) niedrige Inflation bei den Konsumentenpreisen die langfristige Inflation bei den Vermögenspreisen.

Anders formuliert: Multipliziert man eine expansive Geldpolitik (ohne sichtbare) inflationäre Nebenwirkungen bei den offiziellen Konsumentenpreisen mit negativen Renditen für sichere Anlagen (Konten und Staatsanleihen) und einem globalen Überschuss an Sparkapital, dann ergibt sich ein extremer Anlagenotstand der zu „spektakulären“ Bewertungen führt. Dies ist besonders bei zinssensitiven, aber „stabilen“ Sachwerten (Wohnimmobilien) und wachstumsstarken Unternehmen (Technologieaktien) zu beobachten. Naturgemäß sorgen zu niedrige Renditen für eine hohes Fehlerpotenzial bei finanziellen Entscheidungen.

Was bedeutet das für Anleger?

Genau hinschauen ist angesagt. Die „langweilige“ analytische Finanzplanung ist wichtiger als die „spannende“ Diskussion über Geldpolitik und die nächste „heiße“ Aktie.

Über den Autor

Magnus Lenz, Bankkaufmann, Bankfachwirt (IHK) und zertifizierter Vermögensberater (Frankfurt School of Finance & Management) ist ein erfahrener Wertpapier-, Kredit- und Vorsorgespezialist. 2009 gründete er die Lenz Financial Wealth Management GmbH mit dem Ziel, seinen Kunden eine individuelle und unabhängige Beratung bieten zu können.